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In Deutschland lässt sich alles bis zu 10.000 Euro problemlos bar bezahlen. Das nutzen Kriminelle – weswegen die Forderungen nach einem Limit lauter werden.
Köln – „In Deutschland kann man problemlos mit zwei Geldkoffern in ein Autohaus gehen und einen Sportwagen kaufen.“ Das sagt nicht irgendwer. Das sagt Nicola Gratteri im SWR-Podcast „Mafialand“. Er ist der Mann, der als bekanntester Anti-Mafia-Staatsanwalt in Italien das organisierte Verbrechen bekämpft. Gratteri zeigt damit auf ein Problem, über das hierzulande nicht gerne gesprochen wird: Deutschland ist ein Paradies für Geldwäscher.
Dabei fordert das Europäische Parlament, Bargeldzahlungen auf 7000 Euro zu begrenzen, um Kriminellen das Waschen von illegal erworbenem Geld zu erschweren. Eine Obergrenze für Bargeld ist europaweit verbreitet – von 15.000 Euro in Kroatien über 5000 Euro in Italien bis zu 500 Euro in Griechenland.
Bargeld beliebtestes Zahlungsmittel der Deutschen
In Deutschland gibt es kein vergleichbares Limit, aber ein paar Ausnahmen. Bei Geschäften ab 10.000 Euro ist der Händler verpflichtet, sich einen Ausweis vorlegen zu lassen, die Daten zu erfassen und aufzubewahren. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass Deutschland nicht allein ist. Österreich, Irland, Finnland, Schweden und Ungarn haben ebenfalls kein Bargeld-Limit. Dennoch gilt gerade der deutsche Umgang mit dem Thema als besonders Laissez-faire. Das zeigt auch eine Meldung aus dem Frühjahr dieses Jahres. Seit 1. April 2023 dürfen Immobilien in Deutschland nicht mehr bar gekauft werden. Man fragt sich unweigerlich: Das ging bisher?
Dass die Deutschen mit Abstand am liebsten bar zahlen, haben verschiedene Studien gezeigt, zum Beispiel eine Erhebung der Unternehmensberatung „stategy&“ aus dem November 2022. Demnach ist für 54 Prozent der Deutschen Bargeld das beliebteste Zahlungsmittel. In den 15 anderen untersuchten Ländern sind es im Schnitt nur 37 Prozent. Am unbeliebtesten ist Bargeld in Dänemark. Gerade einmal 17 Prozent der Dänen präferieren Cash.
Jährliche Geldwäsche in Deutschland: Rund 100 Milliarden Euro
„Das ist auch der Grund, warum es in vielen Ländern keine Obergrenze braucht“, sagt Florian Köbler, Chef der Deutschen Steuer-Gewerkschaft IPPEN.MEDIA. „Ich bin seit einer Woche in Norwegen unterwegs, Bargeld habe ich noch gar nicht gesehen. Man würde in Skandinavien sofort hellhörig werden, wenn größere Summen bar bezahlt werden.“ Langfristig werde der Siegeszug von Karten- und Smartphonezahlung, der auch in Deutschland anrollt, das Problem lösen. Doch bis es so weit ist, fordert Köbler: „Wir brauchen die Grenze von 1.000 Euro.“
Nun ist der Gedanke hinter einer Bargeld-Obergrenze nicht, so argumentieren zumindest die Befürworter, dem Otto Normalbürger die Nutzung von Scheinen und Münzen abzugewöhnen. Es geht darum, kriminelle Geschäfte besser kontrollieren zu können. Wenn sich nämlich viele Transaktionen ganz legal bar abwickeln lassen, macht es das Geldwäschern einfach. Sie kaufen mit Einnahmen aus illegalen Geschäften beispielsweise Schmuck, Kunst oder Antiquitäten, verkaufen diese dann später wieder. Damit sieht alles legal aus, denn Bargeld-Transaktionen hinterlassen kaum Spuren. Schätzungen gehen von 100 Milliarden Euro aus, die jährlich in Deutschland gewaschen werden. „Kriminelle wissen, dass es hierzulande besonders leicht ist, Geld zu waschen – einfach, weil wir viel laxer mit Bargeld umgehen“, sagt Köbler.
Um das einzudämmen, würde eine Obergrenze allein nicht reichen, sagt Köbler. „Es ist höchste Zeit, dass elektronische Rechnungen zur Pflicht werden. Andere Länder wie Frankreich, Italien, Belgien und Finnland haben es längst vorgemacht: Rechnungen werden dort zwischen Unternehmern elektronisch ausgestellt und beim Finanzamt hochgeladen. Dann ist auf einen Blick klar, ob alles stimmt. Es wird Zeit, dass Deutschland aufholt.“
Faeser kündigte Bargeld-Obergrenze an – seitdem ist nichts passiert
Innenministerin Nancy Faiser (SPD) sprach sich im November 2022 für die Einführung eines Limits von 10.000 Euro aus. „Das ändert im Alltag praktisch aller Menschen in Deutschland gar nichts“, so Faeser. Doch seitdem ist nicht viel passiert. „Aus sicherheitsbehördlicher Sicht erscheint eine Grenze deutlich unter 10.000 Euro angemessen. Besonders wichtig bleibt es jedoch, auf eine einheitliche Obergrenze in allen europäischen Mitgliedstaaten hinzuwirken“, schreibt eine Sprecherin des Innenministeriums auf Anfrage von IPPEN.MEDIA. „Europaweit läuft gerade die Verhandlung zwischen Rat und Europäischem Parlament im Trilog zum EU-Geldwäschepaket. Wir hoffen hier auf eine zügige Einigung.“
Florian Köbler von der Deutschen Steuer-Gewerkschaft weiß um die mannigfaltigen Krisen der letzten Monate, trotzdem ärgert er sich, dass in dieser Causa nichts passiert. „Die Innenministerin kündigt viel an, aber wenn es konkret wird, wird man feige. Keiner will den ‚Schwarzen Peter‘ haben, dass man nun verantwortlich für die Obergrenze ist.“ Das Thema ist kein Wahlkampfschlager, das zeigte auch die massive Kritik von Vebraucherschützern an der Faeser-Ankündigung.
Eine Haltung, für die Köbler sogar Verständnis hat. Immerhin weiß er, wie es sich anfühlt, unpopuläre Forderungen aufzustellen. „Wann immer ich eine Bargeld-Obergrenze fordere, kann ich fast sicher sein, dass ich am nächsten Morgen zehn Mails von wütenden Bürgern im Postfach habe.“
*Dieses Bild wurde mithilfe maschineller Unterstützung erstellt. Dafür wurde ein Text-to-Image-Modell genutzt. Auswahl des Modells, Entwicklung der Modell-Anweisungen sowie finale Bearbeitung des Bildes: Art Director Nicolas Bruckmann.
Author: Luis Novak
Last Updated: 1704079081
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